Eingehende Untersuchung

Eingehende Untersuchungen sind gründliche Analysen von Bäumen, um ihren Gesundheitszustand, ihre Struktur, ihr Wurzelsystem und ihre Umgebung zu bewerten. Diese Untersuchungen dienen dazu, gezielte Pflegepläne zu entwickeln, potenzielle Risiken zu identifizieren und den langfristigen Erhalt des Baumbestands zu sichern.

Sicherung einer alten prägendenden Linde

Die Eigentümerfamilie beauftragte uns mit der eingehenden Untersuchung einer alten Sommerlinde (Tilia platyphyllos) am Kirchberg 45 in Sachsen-Anhalt. Der Baum steht als Naturdenkmal zwischen zwei Häusern direkt am Zugang zum Friedhof und ist mit rund 27 m Höhe, 125 cm Stammdurchmesser und einem geschätzten Alter von etwa 180 Jahren prägend für den Ort. Anlass waren sichtbare Schäden an Krone und Stamm sowie die Frage, ob die Verkehrssicherheit am sensiblen Standort noch gewährleistet ist. Ziel des Gutachtens war eine klare, prüffeste Bewertung von Bruchsicherheit und notwendiger Pflege – mit besonderem Blick auf die erhöhte Sicherheitserwartung an dieser Stelle.

Wir haben die Linde zunächst visuell nach FLL-Richtlinie kontrolliert: In der Krone fanden sich Totholz, ein Astausbruch und bereits vorhandene Kronensicherungen. Wegen zahlreicher Höhlungen und des hohen Alters führten wir anschließend eine instrumentelle Diagnostik durch. Mit einem IML PowerDrill wurden 20 Bohrwiderstandsmessungen an Stamm, Gabelung und Stämmlingen vorgenommen. Die Auswertung zeigte eine fortgeschrittene Kernfäule: Vom Bereich etwa 1 m über Boden bis in rund 7 m Höhe ist der Stamm weitgehend hohl; im Hohlraum haben sich sekundär gebildete Innenwurzeln (Adventivwurzeln) entwickelt. Auch die Stämmlinge weisen Hohlräume und zum Teil nur moderate Restwandstärken auf (z. B. ~10,5–17 cm), was die Belastbarkeit reduziert. Typisch für alte Linden handelt es sich nicht um eine Stockfäule, sondern um einen über Jahre gewachsenen Hohlraum mit eingeschränkter Tragwirkung.

Auf Basis der Befunde ist die Bruchsicherheit in der aktuellen Gestalt nicht gegeben. Um den Baum zu erhalten und die Verkehrssicherheit wiederherzustellen, haben wir ein gestuftes Maßnahmenkonzept empfohlen: kurzfristige Entfernung von Totholz und des ausgebrochenen Astes, eine behutsame Reduzierung von Höhe und Blattmasse um zunächst 3–5 m bzw. ca. 15 % mit einer zweiten, kleineren Reduktion nach zwei Jahren, sowie die Ergänzung einer statischen Kronensicherung am westlichen Stämmling zur Stabilisierung des Zwiesels. Die Umsetzung sollte binnen vier Wochen erfolgen; danach sind jährliche Kontrollen vorgesehen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Reststandzeit von mindestens zehn Jahren realistisch; eine erneute eingehende Untersuchung ist für 2029 vorgesehen.

Warum das wichtig ist: Am Zugang zum Friedhof und zwischen Gebäuden besteht eine berechtigte hohe Sicherheitserwartung. Reine Sichtkontrollen reichen bei alten, höhlenreichen Bäumen oft nicht aus – die Bohrwiderstandsmessung liefert objektive Daten zu Restwandstärken und macht verdeckte Risiken sichtbar. Gleichzeitig werden Artenschutzaspekte mitgedacht, denn Höhlungen können Lebensraum verschiedener Arten sein und erfordern eine sensible Planung der Arbeiten. Das Ergebnis ist ein ausgewogenes Vorgehen: Erhalt eines kulturhistorisch und ökologisch wertvollen Naturdenkmals durch gezielte Entlastung, zusätzliche Sicherung und engmaschiges Monitoring – und damit verlässliche Verkehrssicherheit für Anwohner und Besucher.